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Im Zollstreit zwischen EU und USA bleibt Harley-Davidson weiterhin ein Spielball der Politik

(c) Harley-Davidson

Harley-Davidson und der EU-Strafzoll – eine nicht enden wollende Geschichte, die jetzt auf alles andere als ein Happy End zuzusteuern scheint. Das Damoklesschwert von 56 Prozent Zollgebühr schwebt über der am politischen Konflikt unschuldigen Company und keiner weiß, was passiert, wenn es auf sie niedersaust. Können die Präsidentin der Europäischen Kommission, der US-Präsident und ihre Vertreter sich noch rechtzeitig und zielführend einigen?

Für Harley-Davidson begann die Misere im Jahr 2018, als die Europäische Union beschloss, dem damaligen US-Präsidenten Trump entgegenzutreten, der protektionistische Zölle von zehn Prozent auf europäisches Aluminium und 25 Prozent auf europäischen Stahl erhoben hatte. Kurzerhand entschied sich Brüssel, auf die Einfuhr bestimmter US-Waren ebenfalls erhöhte Steuern zu erheben – unter anderem auf Motorräder mit mehr als 500 Kubikzentimetern. Zusätzlich zu den bislang fälligen sechs Prozent sollten nun weitere 25 Prozent gezahlt werden. Die Motor Company trug’s mit Fassung und gab die Preissteigerung trotz der erheblichen Importmehrkosten nicht an ihre europäischen Kunden weiter.

Als ab Ende 2019 nahezu alle für unseren Kontinent bestimmten Harleys statt in den USA in einem neuen Werk in Thailand gefertigt wurden, entfiel für sie der EU-Strafzoll aufgrund einer sogenannten Binding Origin Information (BOI). Diese wurde der Company aber im April 2021 entzogen. So kassiert die EU unabhängig vom Produktionsort nun erneut satte 31 Prozent Zoll auf die Einfuhr jeder Harley – 6 normale Zoll- plus 25 Strafprozente. Einmal mehr wurde die Preissteigerung für den Import nicht an die Harley-Kunden durchgereicht. Doch es sollte für Harley-Davidson noch dicker kommen: Ab Juni 2021 wollte Europa nämlich weitere 25 Prozent Zoll aufschlagen, verschob das Ganze im Mai aber zwecks Beratungen erst mal auf den Dezember. Nun naht das Jahresende, doch die Lage ist für Mitarbeiter und Kunden nach wie vor ungeklärt.

„Wenn die Politik keine Einigung erzielt, bedeutet das für uns ab Ende dieses Jahres 56 Prozent Einfuhrzoll auf jedes Motorrad – eine tiefe Ungerechtigkeit und unfaire Wettbewerbsverzerrung“, erläutert Matthias Meier, Vorstand des deutsch-österreichischen und des europäischen Verbands der Harley-Davidson-Vertragshändler. Während europäische Motorradhersteller weiterhin bei deutlich geringeren Importzöllen in die USA exportieren können – 1,2 Prozent für Maschinen bis 800 Kubikzentimeter, bis zu 2,4 Prozent für Bikes über 800 Kubikzentimeter und 2,5 Prozent für Autos –, dürften sich bei Harley-Davidson allein im Jahr 2021 EU-Zollgebühren in Höhe von über 100 Millionen US-Dollar ansammeln – bislang ohne jegliche Preiskorrektur für die Kunden. „Unsere Überzeugung lautet: Das kann so nicht weitergehen!“, fügt Matthias Meier hinzu. „Die derzeit für alle Beteiligten unklare Situation kann sowohl die Endverbraucherpreise unserer Motorräder als auch die Mengenplanung der Motor Company für Europa beeinflussen.“

Im Klartext: Die ungeklärten politischen Kontroversen zwischen der europäischen und der amerikanischen Politik könnten auf die coronabedingten Lieferengpässe sowie die Halbleiter- und Containerkrise noch eins draufsetzen: Sie könnten in der EU im kommenden Jahr zu einer weiteren Verknappung von US-Bikes beitragen. Nicht nur eine existenzbedrohende Situation für die etwa 300 Harley-Davidson-Vertragshändler und ihre rund 5.000 Arbeitnehmer in der Europäischen Union, sondern auch eine untragbare Lage für die europäischen Kunden, die mit weniger und teureren Harleys rechnen müssten.

Im Lauf der vergangenen Monate wurden in der Causa Strafzoll auf politischer Ebene zahlreiche Gespräche auf allen Ebenen und mit sämtlichen beteiligten Gremien geführt. So forderte unter anderem eine Koalition aus 88 europäischen und amerikanischen Verbänden Ursula von der Leyen und Joe Biden zur Aussetzung der Strafzölle auf. Antonio Perlot, Generalsekretär von ACEM (Association des Constructeurs Européens de Motocycles – Die Motorradindustrie in Europa) erläutert: „Wir setzen uns weiterhin dafür ein, dass beide Parteien zur Vernunft zurückkehren und eine Lösung finden.“

Und dann ist da noch die an das Europaparlament gerichtete Petition der deutschen und europäischen Harley-Davidson-Händlerverbände. Sie wurde unlängst aktualisiert, will das Augenmerk von Verbrauchern und Politik auf die verfahrene Situation lenken und alle Entscheider zu einer Einigung in der Sache auffordern. Nicht nur Freunde und Fans der Motorräder aus Milwaukee sind aufgerufen, zu unterzeichnen, sondern alle Europäer, denen an freiem Handel und fairem Wettbewerb gelegen ist. Wer in der Suchmaske von www.change.org „Harley-Davidson“ eingibt, kann unter „Harley-Davidson Händlerverband gegen EU-Strafzölle“ seine Solidarität bekunden.