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Motorrad angetestet: Buell XB12R Firebolt

Rot wirkt sportlich und frech

BASF sagt in einer Farbstudie über die Farbe signalrot an Autos: „wirkt sportlich und frech, schnell und schwer. Ein roter Wagen wird automatisch schneller eingestuft als ein blauer des gleichen Typs. Feurig. Auffallend. Der Fahrer ist impulsiv und kontaktfreudig. Er liebt es sportlich und legt sich gerne in Zweikämpfen an.“

Was das mit der Buell XB12R zu tun hat? Viel. Im Gegensatz zur blau-weißen XB9R die ich vor zwei Jahren fuhr (Kurzbericht inkl. Sounds und Bildern) und die mir damals optisch schon sehr gut gefiel, wirkt die rot-goldene 12er noch viel wuchtiger und aggressiver als ihre hubraumkleinere Schwester. Die goldfarbenen Felgen hinterlassen den Eindruck eines edlen, hochwertigen Motorrades. Ohne Zweifel hat Buell also gut gewählt. Überhaupt ist alles stimmig. Wenn man sich die Firebolt anschaut, denkt man mit Schrecken an alte Buell-Zeiten mit breiten Luftfilterkästen am Tank zurück. Die Zeiten ändern sich.

Der breite Rahmen, der zudem als Tank fungiert…

…, fügt sich schön in die Gesamtlinie ein und glänzt mit sauber gearbeiteten Schweißnähten. Die beiden Linsenscheinwerfer schauen impulsiv drein. Ein echter Hingucker ist auch die am Felgenrand befestigte Scheibenbremse vorne. Nicht zu vergessen die vielen kleinen hübschen Details. Zu erwähnen insbesondere die abgedunkelten kleinen Blinker, die schön passenden Spiegel, die durchlöcherten Aluflügel an den Soziusfußrasten für besseren Halt, die geschwungenen Krümmer, der Bugspoiler und – nicht serienmäßig – die verchromte Sebring-Anlage mit ABE als i-Tüpfelchen. Über dem Chrompott ist der 1.203 cm³ große V2 mit Gummi in den Rahmen eingelagert; leider kaum zu sehen, dafür aber umso besser zu fühlen. Also ein Motorrad zum Schwärmen und Verlieben. Mit einer eigenständigen, charaktervollen Optik. So wie man sich das in der heutigen Zeit wünscht, in der ein Motorrad aussieht wie das andere.

Mit Schwarm und Liebe hatte meine erste Minute…

…nach dem Aufsitzen leider nicht im geringsten zu tun. Ich bekam nämlich beim Aufstellen des rechten Fußes auf die Raste einen Krampf in der Wade. Die Firebolt ist halt keine V-Rod und hat auch demgemäß keine entspannte, lässige Cruisersitzposition wie ich sie sonst gewohnt bin und auf langen Touren schätzen gelernt habe. Wer sportlich fahren will, muss eben leiden. Oder auch nicht: vielmehr sitzt man vollkommen in das Bike integriert mit einwandfreiem Knieschluss am Tank/Rahmen. Ein wenig lästig kann bei längeren Fahrten die stark nach vorne gebeugte Rückenhaltung mit nach oben gebeugten Kopf sein, die zudem, wenn man sich nicht richtig abstützt, die Handgelenke belastet. Wohl alles Gewohnheitssache.
   So wie auch die laut initialisierende Einspritzung beim Motorstart, die aber eine Kaltstartautomatik mitbringt. Überhaupt das Gefühl und der Klang dank Sebring: der 45°-V2 schlägt wuchtig takt- und klangvoll in den Rahmen, wie man sich das von einem Harley-Motor erwartet.

Schließlich stammt der Motor in Grundsätzen(!) auch daher. Das heißt: 45°, gleichlaufende Kolben, Luftkühlung, untenliegende Nocken. Alles aber aufwendig bis ins Detail aufbereitet von Buell. Auch im Vergleich zum Motor der XB9R; da hat man nicht nur aufgebohrt, sondern auch den Hub verlängert. Der Zweiventiler wird über senkrechte Fallstromkanäle versorgt. Der Schmieröl-Behalter sitzt in der Hinterradschwinge. Technisch ausgefallen, aber praktisch. So schickt man 101 PS bei 6.600 U/min und 110 Nm Drehmoment ins Rennen.

Und das drückt gewaltig.

Ein Drehzahlwunder darf man sich nicht erwarten; die XB9R war drehfreudiger. Das braucht es aber auch nicht, denn Leistung ist in jedem Drehzahlbereich in Hülle und Fülle vorhanden. Ob auf dem Drehzahlmesser also eine „9“ oder eine „17“ im roten Bereich steht, tut absolut nichts zur Sache. Dass es nur vergleichsweise „langsame“ 4s auf 100 sein sollen, ist fast gar nicht zu glauben. Das fühlt sich nämlich ganz anders an.

Der Sound aus dem Sebring-Pott ist umwerfend. Wie die ABE damit erlangt wurde, wird mir immer ein Rätsel bleiben. Wenn der V2 arbeitet, dann hört man ihn auch dabei. Bassig, klangvoll. Ein Klangbild für die Götter. Lastwechselreaktionen sind dank Zahnriemen nur zu spüren, wenn man sehr provokant fährt. Gerade am Kurvenausgang ist die leicht zu dosierende Leistung ein großer Vorteil. Gewöhnungsbedürftig sind die seilzugbetätigte Kupplung und das hart schaltende Getriebe, das mit gutem Nachdruck geschaltet werden muss.

Die Gasannahme ist naheliegenderweise nicht so zügig wie bei einem Reihenvierer. Aber wer sich dran gewöhnt hat, kann das handliche Fahrwerk und die tolle Zielgenauigkeit genießen. Wenn die Dunlop D207 nicht wären: sie neigen zum Kippeln und haben ein Aufstellmoment. Allerdings hat Buell reagiert und zieht bei den 2005er Modellen den D208 auf. Somit gehören diese Probleme glücklicherweise der Vergangenheit an.

So erstklassig wie das Fahrwerk ist auch Sechskolben-Festsattel-Scheibenbremse.

Brachial bremsend, dank Stahlflex-Leitungen gut dosierbar. Aber im Zusammenhang mit dem ultrakurzen Radstand von 1.321 mm bei ersten Bremsungen für manche wohl ungewohnt: Stoppies sind genauso leicht hinzubekommen wie Wheelies beim Gasgeben. Die Scheibe hinten „macht halt mit“. Nicht mehr, nicht weniger.

Die Federelemente sind komplett verstellbar. Die Einstellung ist Geschmackssache. Mir persönlich schien sie in Ordnung zu sein, wobei eine etwas härtere Dämpfung vorne als auch hinten eventuell mehr Stabilität bringen könnte. Ausprobiert habe ich es nicht, grundsätzlich gab es auch keinen Grund es auszuprobieren. Ich war einfach zufrieden.

Der 14l große, eigentlich eher 14l kleine Tank eignet sich sicher nicht für lange Touren. Die Tankstelle sieht man bei ca. 6l Spritverbrauch 100 km schon häufiger.

Das Hyper Naked Bike stellt sich als gute Alternative zu europäischen und japanischen Motorrädern dar. Es ist eigenwillig, überzeugt durch tolle Verarbeitung und sehr gute Fahrqualitäten. Der Preis von 11.499 € ist absolut angemessen und wird mit Fahrspaß pur entlohnt. Und zwar in jeder Hinsicht für alle Sinne.

Fakten

1203 cm³, 75 kW (101 PS) bei 6.600 U/min, 110 Nm bei 6.000 U/min, 205 kg Leergewicht, 217 km/h Vmax, Elektronische Mehrpunktbenzin-einspritzung, Beschl. 0-100: 3,7s, Verbrauch 5,3l / 100 km

Bilder

Sounds

leider keine